Von Federn und Fellnasen – Fasanenjagd im Burgenland

7. Februar 2018

Reglos steht der Jäger mit der Flinte im Anschlag auf der noch regennassen Naturstrasse. Vor ihm glänzen die  Blätter des herbstlich gefärbten, mit Brombeeren und wilden Rosen durchwucherten Wäldchens. Der bernsteinfarbene Retrieverhund Flip sitzt neben ihm bei Fuss, alle Muskeln angespannt, die Nase im leichten Wind. In der Ferne hört man die ungarischen Treiber ihre Vorstehhunde anfeuern: “Keres! Keres!” – “Such, such”. Da! Im Gegenlicht eine Bewegung! Die unverkennbare Silhouette eines Fasans zeichnet sich gegen den Himmel ab. Ein Schuss! Getroffen trudelt der getroffene Vogel in das dichte Gebüsch.

Flip ist bereits aufgestanden und schaut aufgeregt und erwartungsvoll seinen Meister an. Dieser nimmt die Flinte von der Backe. “Apport”, bestätigt er seinen Begleiter! Der Befehl wirkt wie eine Erlösung: Sofort drückt sich der Vierbeiner durch die Brombeeren in das Gebüsch, die Nase tief über dem Boden. Gelegentlich hört man den Hund durch das Gehölz streifen. Es knackt hier und da, dann einen Moment der absoluten Stille, bevor er schliesslich mit dem toten Fasan im Fang wieder aus dem grünen Pflanzenwall auftaucht und dem erfolgreichen Jäger seine Beute überreicht.

Auf der Fahrt zu den Fasanen. Foto: M. Pfunder

 

Jagdhunde sind unerlässliche Partner bei der Vogeljagd und seit Jahrhunderten für diese Arbeit gezüchtet worden. Retriever wie Flip sind spezialisiert auf die Apportierarbeit im Wasser und an Land, während Vorstehhunde wie die ungarischen “Magyar Vizsla” für das  Aufspüren von Federwild eingesetzt werden. Da in der Schweiz die Vogeljagd weitgehend zum Erliegen gekommen ist, kriegen Jagdhunde hier nur noch selten die Gelegenheit, ihren angestammten Beruf auszuüben. Mit Hundesportarten wie Dummy-Training, Fährtenarbeit, Agility oder “Mantrailing” wird den Jagdhunden heute oft eine spannende Alternative zur Jagd geboten, damit sie nicht unterfordert sind. Hat ein Hund aber das Glück, seine Passion mit seinem Lieblingsmenschen teilen zu dürfen, reist das Gespann deshalb heute bevorzugt in Länder wie Ungarn, Polen oder Österreich. In diesen Ländern ist die Vogeljagd noch immer verbreitet, denn der farbenprächtige Fasan findet in der vorwiegend extensiven Bewirtschaftung die vielfältige offene Landschaft vor, die er bevorzugt.

Ein männlicher Fasan.    Foto: M. Pfunder

 

Im Innenhof des Schlosses hallen die Jagdhörner wieder. Die zwölf Schweizer Jägerinnen und Jäger betrachten andächtig die erlegten Fasane, die im Zentrum des Hofes um einen Brunnen herum auf Tannenchries arrangiert wurden. Die eine oder der andere lässt wohl einen besonders gelungenen Schuss Revue passieren oder ärgert sich heimlich noch ein bisschen über den stolzen Hahn, der an der Garbe vorbei unbehelligt davonkam. Auf der anderen Seite des Hofes stehen die Treiber aus dem nahen Ungarn mit ihren Hunden bei Fuss. Die müden Gesichter können nicht verbergen, dass diese Zeremonie zur Ehrung der geschossenen Gefiederten lieber kürzer als länger dauern sollte, damit sie mit dem Tageslohn möglichst bald nach Hause zu ihren Familien kommen.

 

Andächtiges Lauschen der Jagdhörner.  Foto: M. Pfunder

 

Flip sitzt wieder neben seinem Meister, schaut diesmal aber abgeklärt in eine andere Richtung. Das Getue interessiert ihn nicht. Er hat seine Arbeit für heute getan und freut sich auf eine anständige Portion Futter. Mit den letzten Hornklängen endet der offizielle Teil der heutigen Jagd und es folgt der ebenso wichtige gesellschaftliche Teil dieser Reise. Bevor die Jäger sich ins Haus verschieben, wandeln sie durch den Innenhof, bewundern den einen und anderen  Fasan und tauschen übermütig ihre Erlebnisse aus.

Lachend und plaudernd treten sie nach und nach in die Empfangshalle des Schlosses, wo ihnen ein Butler mit schneeweissen Handschuhen ein perlendes Glas Weisswein aus der heimischen Lese überreicht. Die Hunde, in diesem Schloss genauso willkommen wie ihre Ernährer, schnüffeln durch die Räume, wo auf den ausgetretenen Orientteppichen schon Hunderte von Artgenossen ihre Spuren hinterlassen haben. Der Blick des Jägers schweift von den lehmverklebten Hosenschlägen seiner Kollegen auf antike Wandteppiche mit Jagdmotiven. Der Geruch von nassem Hund mischt sich mit dem rauchigen Duft des warmem Cheminéefeuers. Ein Moment der Andacht für das pompöse Setting, das die bodenständigen Jagdkameraden kurz aus der Fassung bringt.

Eindrückliche Jagdtrophäen des Hausherren im Schloss.  Foto: M. Pfunder

 

“Raus hier”, dröhnt plötzlich eine rauhe Frauenstimme. Die verfressene Beaglehündin Saida hat die Gunst der Stunde genutzt und ist in die Schlossküche geschlichen. Leider wird sie umgehend von der Köchin aus dem Traumland verbannt. Ein Zeichen, dass es Zeit ist, sich umzuziehen und den Hunden endlich ihr wohlverdientes Abendessen zu geben.

Wie aus dem Ei gepellt erscheinen die Waidmänner und -frauen eine Stunde später wieder in der Halle. Sie haben ihre besten Kleider eingepackt für diesen Abend. Was für den Skifahrer das “Aprés Ski”, ist für den Jäger das “Aprés Chasse”. Die Männer tragen jagdliche Anzüge aus Leder oder Loden, die Damen haben ihre Wolljäckchen aus edlen Manufakturen oder an Trachten erinnernde Kleider aus dem Koffer geholt. Die Hunde sind abgetrocknet, gebürstet und gefüttert, und begleiten ihre Herrchen und Frauchen nun diszipliniert an zierlichen Lederriemchen mit Hornknöpfen. Draussen ist es dunkel geworden, die erbeuteten Fasane wurden von einheimischen Frauen in der Zwischenzeit verarbeitet, sauber abgepackt und vakuumiert.

Das Jagdschloss.   Foto: M. Pfunder

 

Inzwischen hat sich der Hausherr persönlich zu der Truppe gesellt. Er ist von altem Schrot und Korn, ein Adliger, der gewohnt ist, im Mittelpunkt zu stehen. Die Bühne gehört ganz ihm, als er am Cheminée jagdliche Anekdoten zum Besten gibt. Eine Bedienstete betritt schliesslich den Raum und wartet diskret auf seine Aufmerksamkeit. Der Hausherr tauscht einen Blick mit ihr – ein über Jahrzehnte eingespieltes Team – und verkündet zur Freude der Gäste, dass man sich nun in den Speisesaal begeben dürfe. Sein Wunsch erlaubt keine Widerrede: er möchte während des Essens von zwei Jägerinnen flankiert sein. Die Gatten der betreffenden Damen grinsen ungeniert. Das Grinsen wechselt aber sogleich in offenes Staunen, als die Gruppe den Speisesaal betritt. Grosse Kronleuchter stehen auf den weissen Tischtüchern der Tafel. Das Silberbesteck passt zu den massiven Silberfasanen, die den Tisch schmücken, die gold-gerandeten Teller aus Porzellan sind hundertprozentig nicht spülmaschinenfest.

Es ist dieser Kontrast von archaischem Jagderlebnis mit kultiviertem Beisammensein – am Tag die sekundenschnellen Entscheidungen über Leben und Tod, am Abend purer Genuss ohne Verantwortung – der solche Jagden besonders macht.

 

Dieser Bericht entstand als Teil einer Projektarbeit im Rahmen des CAS Fachjournalismus am MAZ

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